Wirtschaft und Börse | 14. Juli 2021
Besser, als erwartet. Einigkeit dürfte darin bestehen, dass die Börse im ersten Halbjahr 2021 eine bessere Figur machte, als viele Anleger wohl zu Jahresbeginn vermutet hatten. Aber: Sparer interessiert nicht so sehr der Blick in den Rückspiegel; spannender ist vielmehr, welche Richtung der Kapitalmarkt künftig einschlagen könnte. Auch Stefan Braun, Berater der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ AG, stellte sich die Frage nach der Börsenentwicklung im zweiten Halbjahr. Hierzu hat er sich mit dem Kapitalmarktexperten und Kollegen Nermin Aliti, Leiter Fonds Advisory und Produktmanagement und Leiter des Kapitalmarktforums der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ AG, ausgetauscht.
Stefan Braun: Nermin, 2021 hat sich bislang als ein durchaus erfolgreiches Börsenjahr erwiesen. Was erwartet unser Kapitalmarktforum für das zweite Halbjahr?
Nermin Aliti: Das ist richtig, die ersten sechs Monate haben in der Tat positiv überrascht. Vor allem die fortschreitende weltweite Impfkampagne und die damit einhergehende steigende Konsumfreude haben die Wirtschaft und die Börse beflügelt. Darüber hinaus unterstützten auch die zahlreichen finanziellen Hilfsprogramme der Regierungen den Aufschwung. Und: Dass die Zinsen weiterhin auf niedrigem Niveau verharren, verlieh der Konjunktur und der Börse nicht nur im ersten Halbjahr zusätzlichen Schwung, auch in der zweiten Jahreshälfte sollten die Märkte von der lockeren Geldpolitik profitieren.
Stefan Braun: Was heißt das konkret? Welche Erwartungen habt Ihr im Kapitalmarktforum diskutiert?
Nermin Aliti: Wie sich die Märkte künftig entwickeln werden, wird von zahlreichen – auch nicht vorhersehbaren – Faktoren bestimmt. Welche konkrete Richtung die Kurse von Aktien, Anleihen, Rohstoffen und weiteren Anlageklassen einschlagen werden, ist daher nicht seriös zu prognostizieren. Aber: Die Chancen, dass die Märkte in den kommenden sechs Monaten von der anhaltenden Aufbruchstimmung profitieren, stehen so schlecht nicht. Weltweit haben Konsumenten verzichtet, Unternehmen abgewartet und auch Investoren im Zweifel lieber etwas mehr Bares auf der hohen Kante behalten. Die Öffnungen, die weiter steigenden Impfquoten und die inzwischen auch in Europa etablierten Testregime sollten dafür sorgen, dass die Wirtschaft auch im Herbst ihren neuen Schwung beibehalten kann. Und das könnte auch für weiter steigende Kurse am Aktienmarkt sorgen.
Stefan Braun: Obwohl die Aktienmärkte sich in den zurückliegenden Monaten schon recht gut entwickelt haben, könnte ich unseren Kunden also auch jetzt noch den Kauf von Aktien beziehungsweise Aktienfonds empfehlen?
Nermin Aliti: Fakt ist: Market-Timing funktioniert in der Regel nicht. Dies bedeutet, dass es nur sehr selten gelingt, Wertpapiere zu den bestmöglichen Kursen zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Wer einen langfristigen Vermögensaufbau anstrebt, sollte daher vor allem regelmäßig – beispielsweise mit einem Fondssparplan – anlegen. Auf diese Art und Weise erzielen deine Kunden einen Durchschnittskurs und umgehen das Risiko, zu einem ungünstigen Zeitpunkt einzusteigen.
Stefan Braun: Das nutzen bereits viele Kunden und sind damit in den letzten Jahren ja auch gut gefahren. Die zuletzt stark gestiegenen Preise bereiten mir und meinen Kunden aber dennoch Sorge. Die Inflation ist zuletzt teils kräftig angestiegen – und zwar sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks. Sollte man da nicht vorsichtig agieren?
Nermin Aliti: Da die Wirtschaft sich auch künftig noch recht robust präsentieren und damit einhergehend die Konsumfreude der Verbraucher weiter ansteigen könnte, sollten auch weitere Preissteigerungen nicht ausgeschlossen werden. Zumal sich auch das Gros der Rohstoffpreise auf einem recht hohen Niveau bewegt. Vorsicht ist also angebracht, aber keine Panik. Denn zum Teil sind diese Preissteigerungen auch auf Basiseffekte aufgrund des vor gut einem Jahr alles lähmenden Lockdowns zurückzuführen.
Stefan Braun: Wenn die Notenbanken aufgrund der steigenden Inflation nun die Zinsen anheben, könnte das aber auch die Kurse am Aktienmarkt belasten.
Nermin Aliti: Ja, aber: Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass die Europäische Zentralbank oder die US-amerikanischen Notenbank Fed die Zinsen zeitnah anheben werden. Beide Notenbanken haben unmissverständlich klar gemacht, dass sie die Inflation nicht mehr als starres Ziel bei 2 Prozent betrachten, sondern als Korridor. Dies bedeutet, dass die Inflation auch mal für einen gewissen Zeitraum oberhalb von 2 Prozent liegen kann. Hinzu kommt, dass die Inflationssorgen womöglich nur auf kurzfristige Sicht Kopfzerbrechen bereiten. Eine langfristig hohe Inflation geht in der Regel mit einem starken Arbeitsmarkt einher. Da sich die Lage auf den Arbeitsmärkten fast aller Länder noch nicht genug verbessert hat, um in eine Lohn-Preis-Spirale zu geraten, ist die Voraussetzung für eine dauerhaft höhere Inflation derzeit nicht gegeben. Und drittens: Selbst wenn die Inflation für einen längeren Zeitraum bei 2 bis 3 Prozent liegen sollte, ist das noch keine große Gefahr für den Aktienmarkt. So zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass Aktien als Sachwerte in Zeiten einer moderaten Inflation vergleichsweise attraktive Renditen erzielt haben.
Stefan Braun: Entscheidend sind die individuellen Voraussetzungen und Ziele eines jeden Anlegers. Zwar bieten Dividendenpapiere generell auf lange Sicht ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis. Dennoch sollten unsere Kunden nun nicht all ihre Ersparnisse am Aktienmarkt investieren. Wer einen langfristigen Vermögensaufbau anstrebt, sollte stets das Risiko auf mehrere Schultern verteilen.
Nermin Aliti: Klar, auch Anleihen, Immobilieninvestments, Rohstoffe und alternative Investments gehören in ein breit gestreutes Portfolio. Wie hoch der Anteil der einzelnen Assetklassen dabei sein sollte, ist wiederum von zahlreichen individuellen Parametern abhängig, wie beispielsweise die Risikobereitschaft oder das Alter.
Das Team Fonds Advisory und Produktmanagement beobachtet täglich die Finanzmärkte. Basis für die breite Auswahl von Produkten, die in der Anlageberatung der vermögenden Kunden empfohlen werden, ist der Kapitalmarktbericht der Sparda-Bank West eG, der für die Mitarbeiter im Konzern Informationen zu den Märkten beziehungsweise wirtschaftlichen Rahmendaten zusammenfasst. Das „Kapitalmarktforum“ nimmt diesen Kapitalmarktbericht einmal im Monat im Rahmen einer Sitzung der Themenverantwortlichen auf, ergänzt diese um weitere Informationen aus verschiedenen Publikationen innerhalb und außerhalb des genossenschaftlichen Finanzverbundes und leitet daraus die Marktmeinung der LAUREUS AG Privat Finanz AG ab.
Nermin Aliti
Leiter Fonds Advisory und Produktmanagement
Telefon 0211.160 98-301 | Mobil 0171.1892282 | Mail nermin.aliti@laureus-ag.de
Stefan Braun
Vermögensberater
Telefon 0211.160 98-276 | Mobil 0151. 250 022 79 | Mail stefan.braun@laureus-ag.de